Ukrainische Flüchtlinge: So geht es ihnen heute
Villa Vitalia/Bernstorf: Vor ein paar Wochen, kurz nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, konnten sechs Flüchtlinge ihr neues Quartier im Schloss Bernstorf beziehen. Dieses Quartier ist mittlerweile zu einem Zuhause geworden für den Rentner Anatolij, seine Frau Nadja, die erwachsene Tochter Olena, Mila und ihren Sohn Georgi sowie Elena, die sich allein auf den Weg nach Deutschland gemacht hat.
Die Entscheidung der Villa Vitalia-Geschäftsleitung, spontan zu helfen und Flüchtlingen ein Zuhause zu bieten, hat niemand bereut oder in Frage gestellt. „Natürlich war es am Anfang stressig“, erinnert sich Unternehmensgründer Dr. Wolfgang Röhr. Und auch die Corona-Pandemie hat die Situation nicht einfacher gemacht. Aber: „Die Mitarbeiter im Schloss und die Gemeinde haben alle mitgeholfen und getan, was sie konnten.“
Es wirkt so, als wären die sechs Ukrainer eine Familie, gemeinsam geflüchtet und nun in Bernstorf angekommen. „Wir kannten uns vorher nicht“, sagt Olena. „Wir kommen aus unterschiedlichen Städten in der Ukraine und haben uns erst hier in Deutschland kennengelernt.“ Olena spricht von allen am besten Deutsch - sie hat die Sprache schon in der Schule gelernt. „Und privat, über einen Online-Kurs“, erklärt sie. Alle Sechs lernen auch jetzt in Bernstorf fleißig Deutsch. „Der Bürgermeister der Gemeinde Bernstorf, Mirko Timm, hat sich gleich um eine Sprachlehrerin gekümmert.“ Und so macht nun eine Gymnasiallehrerin aus dem nahen Lübeck die Ukrainer ehrenamtlich fit in Sachen Deutsch. Denn eines ist klar: Ohne die Sprache zu beherrschen, wird es schwer, sich ein eigenes Leben aufzubauen.
Erste Schritte in Richtung Selbstständigkeit
Seit Anfang April arbeiten die Frauen im Schloss Bernstorf in der Erwachsenenintensivpflegewohngemeinschaft der Cairful med mit. „Ich habe in der Ukraine 13 Jahre als Krankenschwester gearbeitet“, erzählt Elena. Und auch Olena kommt aus dem medizinischen Bereich - sie war zunächst Arzthelferin, hat sich dann zur Pharmazeutin weiterbilden lassen in der Ukraine. Dass sie nun im Schloss Bernstorf mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung mitarbeiten können, das „ist sehr gut“, wie beide betonen.
Ein Job, ein Dach über dem Kopf - und Mobilität. Das ist es, was ein selbstständiges Leben ausmacht. „Wir haben alle einen Führerschein“, sagt Olena. „Ich bin aber ein bisschen eingerostet“, lächelt Mila, wenn sie über ihre Fahrkünste berichtet. Seit ein paar Jahren habe sie nicht mehr hinter dem Steuer gesessen, doch so langsam kommt alles wieder, was man mal gelernt hat, übersetzt ihr Sohn Georgi. Die ersten Fahrten mit dem Auto, das sie zur Verfügung gestellt bekommen haben, haben Olena und die anderen gemeistert. Mit ein bisschen mehr Übung werden sie schnell sicherer im Straßenverkehr. „Zum Glück sind die Verkehrsregeln hier ähnlich denen in der Ukraine.“
Möglichst selbstständig – aber niemals allein. Das ist das Motto, das alle Beteiligten verfolgen. Es wurden Fahrräder und Hausrat gespendet, von Töpfen über Teller bis hin zu Kleidungsstücken, um die ukrainischen Flüchtlinge mit dem Nötigsten zu versorgen. Und natürlich werden sie auch bei Behördengängen begleitet, damit alle Formalitäten erledigt werden können. Dafür opfern die Mitarbeiter im Schloss Bernstorf wenn nötig ihren Feierabend oder einen freien Tag. „Die Hilfsbereitschaft innerhalb des Teams und in der Gemeinde ist riesig“, freut sich Dr. Röhr.
Freunde im Dorf
Der 13-jährige Georgi spricht in erster Linie Englisch und übersetzt für seine Mutter und die anderen Ukrainer. Er besucht die Schule in Grevesmühlen und hat schnell Anschluss gefunden. Auch in Bernstorf. „Hier habe ich Freunde aus Polen, mit denen ich Fußball spiele.“ So kommt auch in den Schulferien keine Langeweile auf. Sein Lieblingsverein? Bayern. Und der beste Spieler? „Natürlich Lewandowski“, lacht Georgi.
Was sich die sechs für die Zukunft wünschen? „Vielleicht eine eigene Wohnung“, sagt Elena. Doch bis es soweit ist, bleiben sie auf Schloss Bernstorf wohnen und gewöhnen sich an das Leben in Deutschland. Mit dem Herzen und in Gedanken sind sie aber oft bei ihren Männern und Freunden in der Ukraine. Eine positive Nachricht hat Olena zum Schluss: „Wir haben Kontakt in die Ukraine und es geht unseren Männern und Freunden den Umständen entsprechend gut“.
Isabelle und Heike Röhr (v.re.) mit den ukrainischen Flüchtlingen, die sich gut in Schloss Bernstorf eingelebt haben.